Ganz starke leise Szenen auf der Bühne
Von Berthold Jürriens
Neckarbischofsheim. (bju) Ein Stück über Bauspeicheldrüsen und Streuselschnecken, isländisches traditionelles Essen wie Schafshirn oder die Funktion des Dickdarms, poetischen Boxern und einer Fee, aber vor allem über die Macht der Fantasie, Neugier und Mut, Freundschaft und das Anderssein. Und die Erkenntnis: Mal eben kurz die Welt retten, ist alles andere als einfach, wäre da eben nicht diese Fantasie, die das Unmögliche möglich macht. Tiefgründig, melancholisch, humorvoll und schon fast berührend. Eine Inszenierung, die in den leisen Momenten die stärksten Wirkungen erzielte. Ungewöhnlich für ein Stück, das hauptsächlich mit Schülern der siebten Klasse besetzt wurde, die durchweg überzeugen konnten. „Hodder, der Nachtschwärmer“ begeisterte auf besondere Art und Weise die Besucher in der Aula im Adolf-Schmitthenner-Gymnasium. Für die Unterstufen-Theater-AG, angeführt von den Regisseuren Elisabeth Kohlmann und Marc Kövi, hatten sich die monatelangen Proben, bei denen man trotz Corona Einschränkungen „nie aufgegeben hatte“, mehr als gelohnt. Eine fast zweistündige Aufführung, bei der auch die ASG-Technik-AG für Licht- und Toneffekte sowie Franziska Tendel für das Bühnenbild lobend erwähnt werden müssen. Spielfreudig zeigte sich die Darstellerriege, allen voran die fünf „Hodder-Rollen“ (Simon Kowalzik, Lukas Schneider, Marlon Ewald, Robert Booth, Lien Freund), die mit Brille, Frisur und Pullunder optisch auch Harry Potter Konkurrenz machen könnten. Hodder, der liebenswerte Einzelgänger und Außenseiter, der Papas (Leyl Cokdogru) Nachtschichten als Plakatkleber für fantasievolle Spaziergänge nutzt und nebenbei den Haushalt schmeißt. Originell die Eröffnungsszene mit drei sich immer zuprostenden Herren in Weiß (Fenja Roth, Johanna Dinkel, Ira Bradaric), die zum Ende des Stücks ihre Engelsflügel anlegen. Sie kommentieren und beobachten immer wieder mal Hodders Leben, der seltsame Ideen hat und skurrile Figuren trifft. Eine aufgeweckte Fee (Amelie Arnoldt) ernennt ihn zum „Weltretter“, denn „du bist der Auserwählte.“ „Ich bin nicht so groß. Die Welt ist viel größer“, sagt er zu der Fee, die eine Mischung aus Karlsson vom Dach und Biene Maja zu sein scheint. Dennoch wählt Hodder sich die kleine Insel Guambilua aus, die er zunächst retten möchte, „um überhaupt irgendwo anzufangen.“ Eine Expedition mit einem ausgewählten Team an Weltrettern möchte Hodder zusammenstellen. Wunderbare Charaktere entdecken dabei die Theaterbesucher wie seine Klassenkameradin Kamma Gudmansdottir (Rebecca Jäsch, Lea Teßmer), die eine besondere Beziehung zu ihrem Pausenbrot zu haben scheint. Die etwas altmodische und spröde Lehrerin Andersen (Johanna Dinkel, Mia Funck), deren Parfum „Harem Dreams“ Hodder fast den Verstand raubt, der „Poet des Boxsports“, Big Mac Johnson (Jara Fres), oder Lola (Karla Greoß, Anouk Renk), die auf hochhackigen Schuhen Hodder Rätsel aufgibt. Frust kommt immer dann auf, wenn er vor allem von dem „Konsum- und Medienkind“ Alex (Ciara Hönig) gehänselt wird und er doch eigentlich auch den starken Philipp (Luca Liberto, Sarah Eichin) mit zur Weltrettung mitnehmen möchte. Anrührend sind immer wieder die ruhigen Szenen mit seinem Vater, die wie Poesie erscheinen. Es wird viel gesprochen, aber auch viel geschwiegen. Letztgenanntes ist auch für das Publikum eine Herausforderung, nur die Mimik und Gestik des Ensembles zu beobachten. Aber es lohnt sich. „Es wird gut enden“, prophezeit Hodder mit großer Überzeugung bereits in der Mitte des Stücks, und so ist es auch. Hodder schart seine fiktiven Freunde um sich, inklusiv Häuptling Ludo (Vitoria Hohl) von der Insel Guambilua. Und auch in Phillip findet er einen guten Freund. Und was lernen wir daraus? Innen sind wir Menschen alle körperlich gleich und das Aufeinanderzugehen kann Welten öffnen. Aktueller geht es nicht. Dafür gab es viel und berechtigten Beifall in der Aula.