Von den Gefahren für die Demokratie
Neckarbischofsheim. (bju) „Der Anschlag auf unsere Demokratie beginnt nicht erst mit dem politischen Mord.“ Das sagte Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier in einer Rede im Jahr 2019 anlässlich des Anschlags auf die Synagoge in Halle, bei dem zwei Menschen getötet wurden. Schon damals erinnerte der Bundespräsident daran, dass der Weg von „verrohter, zynischer, unerbittlicher Sprache zur offenen Gewalt“ ganz offensichtlich kurz geworden sei. Dieses Thema behandelte Prof. Walter Mühlhausen in seinem Vortrag am Adolf-Schmitthenner-Gymnasium (ASG).
Der ehemalige Geschäftsführer der Stiftung Reichspräsident-Friedrich-Ebert-Gedenkstätte in Heidelberg, der 2006 eine 1000-seitige und viel beachtetet Biografie über den ersten Reichspräsidenten der Weimarer Verfassung veröffentlicht hat, war bereits einige Male zu Gast am ASG gewesen. „Vom Wort zum politischen Mord – von den Gefahren für die Demokratie“, so lautete der Vortrag, der vor allem die zahlreichen politischen Attentate der Zeit unmittelbar nach dem Ersten Weltkrieg in den Mittelpunkt rückte und gleichzeitig auf die aktuellen Angriffe auf den Rechtsstaat aufmerksam machen soll.
Schülerinnen und Schüler ergänzten die Lesung mit Passagen aus Gerichtsakten, Presseartikeln, Augenzeugenberichten und antirepublikanischen Schmähschriften der Weimarer Zeit. Mit weiteren historischen Fotos und Dokumenten entstand dadurch ein eindrückliches Bild dieser angespannten Zeit.
Anschaulich zeigte Mühlhausen, wie die führenden Vertreter der demokratischen Kräfte von Antirepublikanern beleidigt, verhöhnt und öffentlich beschimpft wurden. „Hetzkampagnen, oft begleitet von antisemitischen Färbungen“, seien das gewesen, sagte Mühlhausen. So zählten der ehemalige Reichsfinanzminister Matthias Erzberger genauso wie Reichsaußenminister Walter Rathenau zu den Opfern. Erzberger wurde als „Reichsschädling“ und „Novemberverbrecher“ bezeichnet, denn seine Unterschrift unter den Waffenstillstand, sein Eintreten für die Unterzeichnung des Versailler Vertrags und seine Finanz- und Steuerpolitik hatten Erzberger zu einem der verhasstesten Politiker der frühen Weimarer Republik gemacht. Seine Ermordung habe in vielen Teilen der deutschen Gesellschaft eine sehr positive Resonanz gefunden, erläuterte Mühlhausen.
Schon 1919 waren die führenden Kommunisten Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht ermordet worden, und am 4. Juni 1922 entging der sozialdemokratische Politiker, ehemalige Reichsministerpräsident und Oberbürgermeister von Kassel, Philipp Scheidemann, der am 9. November 1918 die „Deutsche Republik“ ausgerufen hatte, nur knapp einem Mordanschlag. Während eines Spaziergangs bei Kassel attackierten Mitglieder der rechtsterroristischen Organisation Consul (OC) den Politiker mit Blausäure. Scheidemann überlebte den Angriff. Den Mördern und Attentätern dieser Zeit wurde „vaterländische Gesinnung“ von der deutschen Justiz bescheinigt, sodass milde Strafen folgten.
Auch aktuelle rechtsextreme Gefahren kamen anschließend bei der Fragerunde zur Sprache, die anders als in der Weimarer Zeit zusätzlich durch die Sozialen Medien erheblichen Einfluss haben würden. Internetforen, verrohte Sprache oder stille Sympathiebekundungen seien Gefahren, denen man nur durch einen demokratischen Diskurs entgegenwirken könne, der auch im Internet erfolgen müsse. Weimar sei eine Warnung für die Gegenwart, sagte Mühlhausen, der sich auch für konsequente Anwendung von rechtlichen Möglichkeiten zum Schutz der Demokratie aussprach. Unterstützt wurde die Veranstaltung vom Verein „Gegen Vergessen – Für Demokratie“ und der „Berthold-Leibinger-Stiftung“.
(Mit freundlicher Genehmigung der RNZ)