„Die meisten wissen nichts über ihre Stärken und Träume“
Neckarbischofsheim. (bju) Ein roter Teppich und eine Begrüßung, die die fast 95 Schülerinnen und Schüler der Kursstufe 1 wohl in dieser Form vom Adolf-Schmitthenner-Gymnasium (ASG) nicht kennen: „Schön, dass es dich gibt, guten Morgen.“ Für diese außergewöhnliche Begrüßung sind Gessica Iantorno und Jule Lutzki verantwortlich, die beiden Trainerinnen des 2018 gegründeten preisgekrönten Bildungs-Start-ups „Mein mutiger Weg“ aus Karlsruhe. Authentisch, motivierend und lebensnah soll dabei die Suche nach dem Traumjob sein. Schüler sollen die Schule gestärkt verlassen – „mit einem Ranzen voller guter Freunde, schönen Erinnerungen, Vorfreude auf die Zukunft und einer großen Portion Selbstvertrauen.“
Seit der Gründung konnten bereits mehr als 50 000 Jugendliche den Plan für ihren mutigen Weg nach der Schule entwickeln. Im sogenannten „Mutmacher-Seminar“ kombinieren Iantorno und Lutzki Elemente klassischer Berufsorientierung mit Elementen der Persönlichkeitsentwicklung und der positiven Psychologie. „Denn an der eigenen Zukunft zu arbeiten, soll Spaß statt Angst machen“, sagen sie. Was will ich? Wie stelle ich mir meine Zukunft vor? Was sind meine Träume, und wie kann ich sie verwirklichen? Solche Fragen stellen die „Mutmacher“ den Schülern, suchen gemeinsam Antworten und setzen wichtige Impulse. „Oberstes Ziel ist es, bei den Schülern die Bereitschaft zur Planung ihrer eigenen Zukunft zu wecken und eine bewusste Entscheidung für ihren Weg nach der Schule anzuregen“, sagen die Trainerinnen.
Und in diesem Seminar ist alles anders: nicht die Aula oder ein Klassenraum ist der Seminarort, sondern die Zehntscheune. „Darauf wird wert gelegt und auch von den ,Mutmachern‘ gewünscht, damit die Schüler ganz frei und losgelöst von der Schule agieren können“, sagt Lehrerin Jasmin Moser, die mit Daniela Emrich und Mona Kreth das Berufsorientierungs-Team bildet und von Michaela Deeken, Studien- und Berufsberaterin der Agentur für Arbeit Heidelberg, unterstützt wird. „Die meisten jungen Menschen wissen kaum etwas über ihre Stärken, Talente und Träume“, weiß Moser. Die Schüler hätten nach der Schule unendliche Möglichkeiten, sodass die eigene Orientierung und Persönlichkeit oft verloren gehen würde. Die Stärkung des Selbstvertrauens, weil sie ihre individuellen Stärken gefunden haben, stehe im Mittelpunkt des Seminars, sagen die Coaches, die mit ihrer Sprache und ihrem Alter sofort die Aufmerksamkeit der jungen Erwachsenen bekommen.
Dazu passende Musik im Hintergrund, Kurzfilme und einige „körperliche Aktivitäten“, die merklich zur guten Stimmung beitragen. Ein Hauch von „Tschakka-Seminar“ weht durch die Zehntscheune. Auch die Lehrerinnen spüren eine „positive Energie“ in den Stuhlreihen, in denen die Schüler anhand eines Arbeitsheftes persönliche Kriterien für ihre Berufswahl herausfinden können, über mutige Entscheidungen diskutieren, sich selbst reflektieren, aber auch Fremdeinschätzung erfahren. Als „lebendig und motivierend“ wird der Workshop später beurteilt, auch weil die Abwechslung großgeschrieben wird.
Bevor jeder am Ende sein Zukunftsbild als persönliches Fazit malen oder mit Worten beschreiben darf, verteilt jeder Schüler an seine Freunde Karten mit der Aufschrift „Schön, dass es dich gibt“ mit entsprechender Begründung. Umarmungen, High-Five, Wangenküsse und sogar Tränen fließen nach diesem emotionalen Teil des Seminars, der auch die anwesenden Lehrerinnen sichtlich bewegt. „Es ist schon toll, zu sehen, wie alle hier mitgearbeitet haben und dadurch auch das Gemeinschaftsgefühl des Jahrgangs gestärkt wurde“, sagen die Organisatorinnen. Vor allem das Kennenlernen der eigenen Persönlichkeit und das Entdecken der eigenen Stärken sei für viele Schüler besonders motivierend gewesen, um zukünftig „mutig zu handeln“ und zu wissen, „dass man die Zukunft in der eigenen Hand hat, aber dafür auch hart arbeiten müsse.“ Finanziell ermöglicht wurde der Workshop durch die Hopp Foundation.
(Von Berthold Jürriens mit freundlicher Genehmigung der RNZ)